Auf Ausstellungen werden wir oft gefragt, nach welchem Vorbild unsere Modellanlage entstanden ist. "Ist das Bremen, das da in Miniatur nachgebaut wurde?" möchten viele Besucher wissen und manche meinen sogar eine Ähnlichkeit unseres Theaters am Mozartplatz mit dem Bremer Theater am Goetheplatz festzustellen. Doch unser Vorbild ist nicht unsere Heimatstadt Bremen - sondern Gröplin. Falls ihr die Stadt nicht kennt, obwohl sie über ein hervorragend ausgebautes Straßenbahnnetz verfügt, geben wir euch hier ein wenig Nachhilfe in Geschichte und stellen die Chronik der Stadt Gröplin vor.
Verkehr in Gröplin oder die Geschichte des Gröpli-Trams
Ein "historischer" Hintergrund der Modellanlage "Club Linie11"
Gröpelinum im Mittelalter
Alte Aufzeichnungen in den Archiven des Guriskanerordens erwähnen erstmals Ende des zehnten Jahrhunderts eine Pfarrgemeinde „Gröpelinum“ an den sumpfigen Ufern des Flüsschens Weyche in der Nähe des Guriskanerklosters Dorfum. Rund einhundertfünfzig Jahre später führen Streitigkeiten zwischen dem Orden und der Mutter Kirche zur Gründung des Bistums Gröplin und 1121 wird mit dem Bau des Domes begonnen, dessen berühmte Fresken von Caspar-Heiner Schinken aus dem dreizehnten Jahrhundert bis heute überdauert haben.
Dank seiner Lage an einer wichtigen Handelsstraße kommt Gröplin bald zu Wohlstand und erhält 1402 die Stadtrechte. Zeugen hiervon sind nicht nur die reichen Handelshäuser am Brückentor (damals noch „Haventhor“ genannt) sondern auch das prächtige alte Rathaus, nicht ohne Grund von den stolzen Bürgern direkt gegenüber vom Dom erbaut. (Bild: "Altes Rathaus")
Graf Agolbert, ein neuer Herr über die Stadt
Obwohl die starken Mauern den Wirren des dreißigjährigen Krieges standhalten, fällt mit dem westfälischen Frieden 1644 das Bistum und die Stadt Gröplin an das Geschlecht der Grafen vom Michelhaus; der Bischof wird verbannt und das Kloster aufgegeben. Graf Agolbert lässt 1652 die erste hölzerne Brücke über die Weyche errichten und erhebt an „seinem Ende“ Brückenzoll, sehr zum Ärger der Gröpliner, die dadurch das lukrative Fährgeschäft verlieren. Der Graf wiederum verdient gut und baut bald die Residenz Michelhausen östlich des Flusses. (Bild: Noch heute erinnert die "Graf-Agolbert-Passage" an frühere Zeiten)
Im achtzehnten Jahrhundert entwickelt Michelhausen sich zum eigentlichen Stadtzentrum mit Schlosskirche, Theater und der großen Brauerei, dessen bekanntes „Michelbräu“ noch heute in aller Munde ist. Auf der „Altstadtseite“ errichten die Gröpliner eine Weberei vor dem Martinstor, deren Produkte aber nie über den lokalen Markt hinausgelangen. (Bild: "Weberei vor dem Martinstor")
Aufstieg von Gröplin
Als Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Eisenbahn Gröplin erreicht, erhält sie zum Leidwesen der Gröpliner keinen Bahnhof am Martinstor, sondern dieser wird anstelle des alten Zollhauses in Michelhausen errichtet. Doch dies soll die letzte Schmach der Residenz gegenüber der alten Stadt sein, denn mit dem Tode von Graf Siglund II. 1869 endet das Geschlecht derer vom Michelhaus und die beiden Städte werden nach dem letzten Willen des Grafens vereinigt. Jetzt setzt eine wahre Euphorie in Gröplin ein: Der Sumpf zwischen Bahnhof und Fluss wird trockengelegt und neue Wohngebiete angelegt, eine steinerne Brücke über die Weyche wird errichtet und Heribert Bruno gründete 1874 beim Bahnhof die Brunowerke. (Bild: "Theater am Mozartplatz")
Die Pferdebahn kommt
Schnell wird der Ruf nach einem einer solchen „Großstadt“ angemessenen Verkehrsmittel laut, und so beantragt Anfang 1884 der Brauerei-Besitzer Pettus Findersheim beim Rat
der Stadt den Bau und Betrieb einer eigenen Pferdebahn, welche von der Martinsvorstadt über Markt und die neue Brücke, am Bahnhof und am Theater vorbei zur Schlossbrauerei führen soll. Mit Wirkung
vom 1. Oktober des Jahres erteilt der Rat Findersheim eine Konzession für 30 Jahre. Der Bau der Strecke wird noch im gleichen Monat begonnen.
Ein von Heribert Bruno zeitgleich eingereichter Konzessionsantrag für eine Strecke von der Marientorsvorstadt zu den Brunowerken wird dagegen von den Stadtvätern abgelehnt, da der Markt, das historische Herz, der Stadt, hiervon unberührt bleiben würde.
Die am 1. Mai 1885 eröffnete Strecke ist eingleisig mit je einer Ausweiche am Markt und Bahnhof und endet neben der Schlosskirche. Für die sechs Wagen (davon zwei offene Sommerwagen) und die zwölf Pferde baut man einen kleinen Schuppen mit Werkstatt vor dem Martinstor gegenüber der Weberei. Der anfängliche 15-Minutentakt reicht bald nicht mehr aus, und so wird „im scharfen Trab“ gefahren, was Strecke und Pferde hergeben. (Bild: Noch heute in Betrieb - der erste Pferdebahnschuppen)
Gröplin wächst und die Brunowerke entwickeln sich zum größten Arbeitgeber der Stadt. Auf dem trockengelegten Sumpfland am Fluss wird 1885 das städtische Gaswerk gebaut. Am Marienkirchplatz und vor dem Marientor entstehen neue Bürgerhäuser und 1888, im Dreikaiserjahr, ein zentrales Wasserwerk. Ja, am Martinstorplatz leisten die Stadtväter sich 1889 sogar ein neues, repräsentatives Rathaus, dessen mächtiger Turm noch heute die Stadt weit überragt. Im schon legendären Wettstreit der beiden Unternehmer Heribert Bruno und Pettus Findersheim kann letzgenannter 1890 erneut punkten: Er erwirbt von der Stadt den östlichen Teil des Schlossgartens und baut dort die „Villa Findersheim“ mit eigener, streng geometrischer Parkanlage. (Bild: Neues Rathaus)
Gröplin wird elektrisch
Doch auch Heribert Bruno bleibt nicht tatenlos: er sichert sich ein Grundstück in der Marientorsvorstadt und verspricht den Stadtvätern die Errichtung einer neuartigen "Kraftzentrale", wenn sie im Gegenzug dem Bau einer elektrischen Bahn von dort zu den Brunowerken zustimmen; also mit der gleichen Streckenführung, mit der er sich 1884 nicht durchsetzen konnte. "Es sei ihm seit langem ein tiefer Schmerz in der Seele, dass seine Arbeiter ihr hart verdientes Geld für Findersheims Pferdebahn ausgeben müssen." Dass er lieber selber daran verdienen möchte, bleibt allerdings unerwähnt. (Bild: Elektrischer Wagen der Anfangsjahre)
Die vorgeschlagene Strecke würde sich allerdings mit der Pferdebahn die Weychebrücke teilen müssen, so schlägt Stadtrat Surmüller insgeheim Findersheim vor, selber ein Kraftwerk zu errichten und seine Pferdebahn zu elektrifizieren. Dieser lehnt kategorisch ab: "Bruno zahlt seinen Leuten zu wenig, dass sie sich sowohl mein Bier als auch eine teure Fahrt mit einer Elektrischen leisten könnten. Außerdem wirft die Pferdebahn nun auch wieder nicht so viel ab, um solch eine waghalsige Investition zu rechtfertigen." Einer gemeinsamen Nutzung der Gleise auf der Brücke vor Ablauf seiner Konzession widerspricht Findersheim kategorisch.
Um den Anschluss Gröplins an die Moderne nicht zu verpassen, muss Stadtrat Surmüller nun all sein Verhandlungsgeschick aufbringen, um die beiden Kontrahenten davon zu überzeugen, ihren Streit zum Wohle der Stadt beizulegen. Im Februar 1892 wird schließlich folgender Kompromiss geschlossen: Die Stadt übernimmt per 1. Oktober die Pferdebahn von Findersheim, welcher im Gegenzug zu gleichen Teilen mit Bruno die „GEWAG“ (Gröpliner Elektrizitätswerke AG) gründet. Für die Arbeiter beider Werke wird eine verbilligte Wochenkarte zu 10 Pfennigen eingeführt. Auch die Wohnsitze beider Unternehmer ("Villa Findersheim" östlich und "Wasserburg" westlich der Stadt) sollen Anschluss erhalten.
Städtische Straßenbahn Gröplin (SSG)
Nachdem im November1893 die GEWAG eröffnet wird, nimmt am 15. März 1894 die "Städtische Straßenbahn Gröplin" (SSG) den elektrischen Verkehr auf zwei Linien auf.
Rote Linie: Martinstor - Schlossplatz - Pettuspark
Grüne Linie: Brunowerke - Marientor – Wasserburg
Die Strecken sind, bis auf den Außenast nach Wasserburg, zweispurig ausgebaut und zur Unterbringung der 8 schönen neuen elektrischen Wagen wird zwischen dem Depot und dem Wasserwerk eine neue Wagenhalle gebaut. Die bisherigen Pferdebahnwagen finden alle, auch die Sommerwagen, als Beiwagen Verwendung. Zum Direktor der neuen Gesellschaft ernennt man, wen wundert’s, den Stadtrat Otto Surmüller.
Ein neues Jahrhundert – ein neues Stadtbild
Durch die Höherlegung der Eisenbahn auf eine Dammstrecke 1899 wird nicht nur die neuralgische Kreuzung zwischen Eisen- und Straßenbahn entschärft, auch die Weyche kann für die moderne Flußschifffahrt ausgebaut werden. Hierfür muss aber die steinerne Weychebrücke durch eine Klappbrücke ersetzt werden. Während der Arbeiten an der neuen Brücke quert die Straßenbahn die Weyche auf einer provisorischen Holzkonstruktion, die sie nur mit den Fußgängern teilt. Da die Speicherhäuser am Hafen jetzt nicht mehr von der Eisenbahn erreicht werden können, schließt man die Kaianlagen an die Straßenbahn an, die extra ein neues Gleis entlang der Stadtmauer durch die Hafenstrasse erhält. Mittels eines Teilabbruchs der Stadtmauer wird die Strecke dann an den Martinstorplatz angeschlossen, wodurch das Umsetzen auf dem Markt entfallen kann. Diese Schleife wurde noch bis vor wenigen Jahren befahren (Hafenstraße – Martinstorplatz – Markt – Brückentor). Die neue Hafenstraße dient auch dem übrigen Verkehr als Umgehung der engen Martinstorvorstadt. (Bild: Strecke entlang der Stadtmauer durch die Hafenstrasse)
Gröpliner Güterbahn (GGB)
Jetzt bietet sich der Straßenbahn ein neues Geschäftsfeld: auch Brunowerke, Brauerei und Markthalle in der Schlachthofstraße, sowie Gas- und Elektrizitätswerk erhalten nun Gleisanschlüsse - die Gröpliner Güterbahn (GGB), hundertprozentige Tochter der SSG, wird am 1. Juni 1900 eingeweiht. Die GGB verfügt lange Zeit nur über ein einziges Fahrzeug, einen zweimotorigen Gütertriebwagen auf zwei Drehgestellen, der bis heute erhalten ist. Die Wagons für den Gütertransport stellen die angeschlossenen Betriebe selbst. (Bild: Gleisanschluss zum Gaswerk)
1902 wird noch eine dritte (Gelbe) Linie vom Schlossgarten über Bahnhof in die neuen Wohngebiete von Michelhausen hinter dem Gaswerk in Betrieb genommen.
Gröplin-Dörfli-Bahn (GDB)
Wichtigste verkehrliche Neuerung dieser Zeit ist allerdings die Gründung der Gröplin-Dörfli-Bahn (GDB) durch die Stadt Gröplin und die Gemeinde Dörfli im Jahre 1908. Treibende Kraft dieser Neugründung ist die Müllersche Dampfmühle in Dörfli, die den Anschluss an die Güterbahn sucht. Die modernen vierachsigen Triebwagen der GDB passieren von Dörfli kommend die Ruinen des Klosters Dorfum, erreichen kurz vor dem Marientor die Strecke der grünen Linie und wechseln an der Bahnhofstraße auf die der roten/gelben Linie bis zum Schlossplatz. Um den Verkehr der beiden städtischen Linien in der Schlossstraße nicht durch Rangierbewegungen zu behindern, umrunden die Züge der GDB den Schlossplatz auf einer eigens angelegten Gleisschleife. In Dörfli erhält die GDB eine kleine Remise, die technische Wartung der Fahrzeuge übernehmen jedoch die Werkstätten der SSG. (Bild: Güterschuppen der Müllerschen Dampfmühle)
Um den Betriebsablauf zu vereinfachen, erbaut man noch kurz vor Kriegsausbruch 1914 vom Marienkirchplatz aus durch das Haus Töpfergasse 7 ein neues Zufahrtsgleis zum Depot und schafft dort eine Wendemöglichkeit um die alten Werkstattgebäude herum. Dies ist die vorläufig letzte Erweiterung des Gleisnetzes, denn die nun folgenden weltpolitischen Ereignisse beenden die erste Blütezeit der SSG. (Bild: Hausdurchfahrt "Töpfergasse 7")
Die Zwanziger – Inflation und Neuaufbruch
Nach der Materialknappheit der Kriegsjahre und der Geldknappheit der anschließenden Inflationszeit kann die SSG 1924 endlich aufatmen und beschließt die nunmehr dreißig Jahre alten und verschlissenen 8 Triebwagen aus dem Gründungsjahr durch neue Fahrzeuge, nunmehr mit geschlossenen Plattformen, zu ersetzen. Hinter den Brunowerken (1925) und beim Pettuspark (1926) werden neue Gleisschleifen errichtet. Letztere kurioserweise auf ausdrücklichen Wunsch des mittlerweile über neunzigjährigen Findersheim sogar durch den Park, damit dieser seine geliebte Bahn auch vom Krankenlager aus sehen kann. Der Direktor der SSG, Otto Surmüller, erlebt diesen Anblick leider nicht mehr, er verstirbt an Weihnachten 1925 unerwartet. (Bild: Die Straßenbahngleise verlaufen diagonal durch den Pettuspark)
Geblendet vom Erfolg der "Dörflibahn" stürzt Raffke sich 1927 auf den Bau der zweigleisigen Fernbahn nach Meyerstadt. Kurz hinter dem Schlachthof von der roten Linie abzweigend, folgt die Strecke der langen, schnurgeraden Chaussee in östlicher Richtung und wird nach knapp einjähriger Bauzeit im Sommer 1928 in Betrieb genommen. Wirtschaftlich ist sie für die SSG aber ein völliger Misserfolg, herrscht zwischen den beiden Städten doch nur an hohen Feiertagen ein nennenswertes Fahrgastaufkommen. Schon nach wenigen Monaten muss der Betrieb wochentags eingestellt werden. Anfang 1929 trennt sich die SSG wieder von Waldegut Raffke. (Bild: Gröpliner Stadtansicht von 1928)
Der "schwarze Freitag" im Oktober 1929 beschert der ohnehin durch die "Fernbahnpleite" stark geschwächten SSG weitere Umsatzeinbußen, müssen doch die Brunowerke hunderte Arbeiter entlassen und die Schlossbrauerei droht gar ganz geschlossen zu werden. Der in dieser schweren Zeit neu ernannte Direktor Hans Güffelsberg versucht der Krise mit einer radikalen Linienreform Herr zu werden: Die Linie 1 (ex rot) verkehrt jetzt vom Pettuspark über Schlossplatz und Bahnhof nach Michelhausen, während die Linie 2 (ex grün) von den Brunowerken aus über Marienkirchplatz abwechselnd nach Dörfli und Wasserburg fährt. Zur Erschließung des Stadtzentrums wird die Haltestelle Markt in die Brückentorstrasse verlegt.
Die Fernbahn und die Stichstrecke zum Schlossgarten (gelbe Linie) werden ganz eingestellt und die GDB als selbstständige Gesellschaft aufgelöst. Mit diesem Maßnahmenpaket gelingt es Güffelsberg den Konkurs und damit die Einstellung des gesamten Straßenbahnbetriebes zu vermeiden.
Erst ab 1931 wird die Strecke zum Schlossgarten von der alten "Dörflibahn", jetzt Linie 3, wieder bedient. Durch die Gründung des Waldkrankenhauses an der Meyerstädter Chaussee wird 1934 auch die Fernbahn wieder in Stand gesetzt und erhält am Krankenhaus eine eigene Wendeschleife. Es verkehren jetzt folgende Linien:
Linie 1: Waldkrankenhaus – Schlossplatz – Bahnhof - Michelhausen
Linie 2: Pettuspark – Schlossplatz – Bahnhof – Markt
Linie 3: Brunowerke – Marienkirchplatz – Wasserburg
Linie D: Schlossgarten – Bahnhof – Marienkirchplatz – Dörfli
An Sonn- und Feiertagen wird auch wieder ein durchgehender Verkehr vom Schlossplatz über Waldkrankenhaus nach Meyerstadt angeboten (Linie M), womit die Wendeanlage auf dem Schlossplatz, diesmal aus der anderen Richtung, wieder regelmäßig genutzt wird.
1938 wird in Michelhausen eine Blockumfahrung und in Wasserburg ein Gleisdreieck in Betrieb genommen, womit nun alle Linien, bis auf die „Dörflibahn“, über Wendemöglichkeiten verfügen und man an die Anschaffung von Einrichtungsfahrzeugen denkt. Hierzu kommt es allerdings nicht mehr, denn neues Unheil zieht am Horizont auf...
Der zweite Weltkrieg und die "Revolution in der Direktion"
Nachdem immer mehr Fahr- und Werkstattpersonal eingezogen wird und man, wie schon 1917, Frauen im Fahrdienst einstellt, muss auch Hans Güffelsberg 1941 seinen Kriegsdienst antreten. Er übergibt seinen Posten im Einvernehmen mit dem Stadtrat seiner Frau Hildegunde Güffelsberg, die ihm bis dahin stets mit helfender Hand zur Seite stand. Proteste der lokalen Parteileitung über diese „undeutsche Personalentscheidung“ bleiben in der Reichshauptstadt jedoch zum Glück ungehört, und so verfügt die SSG mit Schaffnerinnen, Fahrerinnen und der Direktorin am Ende des Krieges über eine „Frauenquote“ von 72%!
Von den Folgen der alliierten Luftangriffe bleibt Gröplin weitgehend verschont, nur die Eisenbahnbrücke über die Weyche wird 1943 zerstört und die Hafenanlagen schwer beschädigt. Als Ersatz für die Eisenbahn verkehrt die Fernbahnlinie M nun täglich und zur Bewältigung des stetig steigenden Güterverkehrs bekommt die SSG sogar eine zweite Lokomotive zugeteilt. (Woher diese stammt, bleibt im Dunkeln, sie verrichtet aber heute noch zuverlässig ihren Dienst für die Gaswerke) Größte Katastrophe für Stadt und Straßenbahn ist jedoch die Sprengung der Klappbrücke in den letzten Kriegstagen. Der Hafen ist für die Schifffahrt nicht mehr erreichbar und das Streckennetz der SSG auf lange Zeit geteilt!
Improvisation und Wiederaufbau – die Zeit bis zum "Wirtschaftswunder"
Für die im "Ostnetz" verblieben Fahrzeuge wird auf einem Schulhof beim Pettuspark eine provisorische Abstellmöglichkeit geschaffen und die Fahrzeuge dort „unter freiem Himmel“ gewartet. Hierfür benötigte Ersatzteile müssen allerdings von der Werkstatt „zu Fuß“ über einen provisorischen Steg entlang der Trümmer der Eisenbahnbrücke dorthin geschafft werden. Während die Linie 1 bald wieder ihren gewohnten Betrieb aufnimmt, erhält die Linie 2 nun die Brunowerke als neue Endstelle. Die Gleisverbindung Bahnhofstraße/Brunostraße wird jetzt erstmalig linienmäßig befahren.
Im "Westnetz" auf der Altstadtseite erlebt die Linie D dank der "Hamsterfahrer" einen nie gekannten Aufschwung; Strecke und Fahrzeuge erreichen die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und die Linie zur Wasserburg kann nur noch stündlich bedient werden. Eine kleine Erleichterung schafft eine neue Umsetzmöglichkeit in der Brückentorstrasse. Die beiden hierfür benötigten Weichen werden kurzerhand auf dem Gelände der GEWAG "ausgeborgt".
Erst 1948 kann der Betrieb über die Weyche mittels einer provisorischen eingleisigen Holzbrücke (wie schon 1899) wieder aufgenommen werden und die Fahrzeuge des „Ostnetzes“ kehren endlich in Depot und Werkstatt zurück. Die lange Zeit im Freien und die nur notdürftige Wartung haben ihnen jedoch arg zugesetzt und so kann das wiederhergestellte Liniennetz nur mit immer wenigeren Kursen bedient werden. Noch 1949 erreichen erste Neubaufahrzeuge das Gröpliner Schienennetz. Sie basieren zwar auf alter Vorkriegskonstruktion, erweisen sich aber als robust und zuverlässig. Der Fahrplan wird wieder eingehalten.
(Bild: Die ersten Nachkriegsfahrzeuge)
Anfang 1950 wird die neue, hydraulische Klappbrücke dem Verkehr übergeben. Nun geht es wieder zweigleisig über die Weyche, was den Straßenbahnbetrieb in der Innenstadt deutlich beschleunigt.
Leider bleibt Direktor Hans Güffelberg verschollen, so dass seine Frau die Leitung der SSG noch bis 1955 innehält.
(Bild: Gröpliner Klappbrücke über die Weyche)
Neue Stadtteile - neue Verkehrsströme
Zur Behebung der Wohnungsnot entstehen nach der Währungsreform an der Meyerstädter Allee (vormals „Chaussee“) die ersten Neubaugebiete und mit dem Baubeginn der Südstadt wird die Linie 1 ab 1953 nun zusammen mit der Linie 3 zu den Brunowerken geleitet. Die Endstelle Michelhausen wird vorläufig aufgelassen.
1955 tritt Werner Neugelaber die Nachfolge von Hildegunde Güffelsberg an. Er ist der erste Direktor der SSG, der nicht aus Gröplin stammt, sondern erst seit wenigen Jahren Bürger dieser Stadt ist. Als Bewohner der neuen Südstadt macht er sich dafür stark, dass diese einen eigenen Streckenanschluss erhält. Mit seiner in den siebziger Jahren hier errichteten futuristischen Haltestellenanlage setzt er sogar neue Maßstäbe in der Gröpliner Verkehrslandschaft. Die Linie 1 bekommt ihre alte Endstelle Michelhausen zurück, denn seit Mai 1958 bringt die neue Linie 4 die Fahrgäste direkt von der Südstadt zu den Brunowerken.
Ebenfalls seit Mai 1958 werden neue Gelenkzüge beschafft, die sukzessive die alten Zweiachser aus Vor- und Nachkriegszeit ersetzen. Lediglich die schweren Überlandfahrzeuge der Linie D bleiben vorläufig noch im Dienst.
(Bild: Haltestellenanlage „Südstadt“)
Autobahnbau - das Ende der "Fernbahn"?
Durch den Bau der Autobahn in den Sechzigern droht die Verbindung zum Krankenhaus und nach Meyerstadt endgültig gekappt zu werden. Jedoch plant Neugelaber einen neuen Verknüpfungspunkt zu den Fernbuslinien mit großem Park+Ride-Platz an der Autobahn (Endstelle Busbahnhof) und die Betreiber der Waldklinik investieren in einen Neubau. So entsteht 1966 die imposante Schrägseilbrücke nach Plänen des Architekten Johannn Förstler mit eigenem Gleiskörper, einer sogenannten festen Fahrbahn ohne Schotter.
(Bild: Schrägseilbrücke über die Autobahn)
Die neue Brücke ermöglicht die Entwicklung der Stadtgebiete jenseits der Autobahn. Somit ist die Strecke der alten "Fernbahn" gerettet und gelegentliche Sonderfahrten nach Meyerstadt sind heute noch möglich.
(Bild: Hochbetrieb an der Endstelle "Busbahnhof")
Mit Eröffnung des Busbahnhofes wird nun folgendes Liniennetz betrieben:
Linie 1: Busbahnhof – Schlossplatz – Bahnhof – Michelhausen
Linie 2: Schlossgarten– Schlossplatz – Bahnhof – Markt
Linie 3: Südstadt – Schlossplatz – Bahnhof – Brunowerke
Linie 4: Waldkrankenhaus – Pettuspark
Linie 5: Brunowerke – Marienkirchplatz – Wasserburg
Außerdem wird die neue Schnellbahn (Busbahnhof – Dörfli) eingeführt. Diese hält in der Stadt nur an Bahnhof und Schlossplatz.